Bundeskanzler Olaf Scholz sprach letztes Jahr in Davos von einer „neuen deutschen Geschwindigkeit“, die einen Maßstab für Wirtschaftsreformen setzen würde. Ein Jahr später ähnelt Europas größte Volkswirtschaft eher einem langsamen Autounfall als einem sich beschleunigenden Moloch. Im Jahr 2023 schrumpfte sie um 0,3 Prozent und ist damit die leistungsschwächste große Volkswirtschaft der Welt.
Damit einher gingen politische Rückschläge, landesweite Streiks und ein starker Rückgang der Popularität der Regierungskoalition.
Der wirtschaftliche Einbruch, von dem viele Analysten erwarten, dass er sich in diesem Jahr fortsetzen wird, sei ein „Weckruf“, so Finanzminister Christian Lindner.
Letzte Woche versuchte er beim diesjährigen Treffen in Davos die Bedenken zu entkräften, dass das Land wieder einmal zum „kranken Mann Europas“ werde. Seine Diagnose: Deutschland sei nur ein „müder Mann“, der „eine starke Tasse Kaffee“ brauche – womit er Strukturreformen meinte. Aber ob es krank, müde oder einfach im Übergang ist,
Die deutsche Bevölkerung muss bald davon überzeugt werden, dass die Wirtschaft auf dem richtigen Weg ist.
Der Zorn der Bevölkerung steigt. Der gemeinsame Stimmenanteil der drei Parteien in Scholz‘ Koalition – Sozialdemokraten (SPD), Grüne und Freie Demokraten (FDP) – ist von über 50 Prozent Ende 2021 auf heute weniger als ein Drittel gesunken.
Noch besorgniserregender für Deutschland und Europa ist die wachsende Popularität der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD). Es ist auf dem besten Weg, im September drei Regionalwahlen zu gewinnen. Während die einwanderungsfeindliche Rhetorik ihre Unterstützung stärkte, war die Unzufriedenheit mit der Regierungskoalition ein weiterer wichtiger Faktor.
Scholz‘ Plan, einen 60-Milliarden-Euro-Fonds für den Klimawandel in Anspruch zu nehmen, um die industrielle Modernisierung Deutschlands voranzutreiben, scheiterte im November, als das Verfassungsgericht ihn für illegal erklärte. Die Regierung musste die Gelder einfrieren und die daraus resultierende Haushaltslücke von 17 Milliarden Euro mit Sparmaßnahmen schließen.
Dazu gehörte auch die Abschaffung einer Dieselsubvention für landwirtschaftliche Fahrzeuge, was Anfang des Monats zu wütenden Protesten der Landwirte führte. Traktoren stürmten Städte und blockierten mehrere Autobahnkreuze. Die Beeinträchtigung für Millionen von Pendlern wurde durch einen Lokführerstreik noch verschärft.