Vorab, was die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland betrifft: Der Ausdruck „aussterben“ suggeriert hierbei ein komplettes Verschwinden. Tatsächlich handelt es sich aber um einen demografischen Wandel, der durch eine veränderte Altersstruktur und eine Diversifizierung der Bevölkerung gekennzeichnet ist. Die deutsche Bevölkerung verändert sich, sie stirbt aber nicht aus. Das "Biodeutsche" verändert sich - und war auch nie so gegeben, wie man es nach "rassischen" Gesichtspunkten vielleicht annehmen würde!
Hier mal ein Artikel, der durchaus zum Nachdenken anregt.
"Wer oder was sollen diese "Biodeutschen" eigentlich sein? Ob man den Begriff nun benutzt, um Diskriminierung kenntlich zu machen oder um selbst zu diskriminieren, die meisten sind sich einig: "Biodeutsch" soll das Gegenteil von "Mensch mit Migrationshintergrund" sein.
Einen Migrationshintergrund haben laut Statistischem Bundesamt "alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem nach 1949 zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil".
Bei aktuellen Flüchtlingen oder türkischen Arbeitsmigranten mag diese Definition funktionieren. Aber wieso gilt die in Kanada geborene Anke Engelke als "biodeutsch", nicht aber Noah Becker, der in München geborene Sohn von zwei Baden-Württembergern? Was ist mit dem personifizierten Klischeebild einer Biodeutschen Helene Fischer? Die Schlagersängerin ist 1984 in Sibirien geboren.
Als durch und durch "biodeutsch" müsste hingegen der 1925 in Berlin geborene schwarze Schriftsteller Theodor Michael gelten. Wer sein Buch "Deutsch sein und schwarz dazu" gelesen hat, weiß allerdings, dass er dies Zeit seines Lebens ganz anders erfahren hat.
Reden wir also nicht um den heißen Biobrei drumherum: Wer "biodeutsch" sagt, denkt nicht an Wohnorte und Geburtsregister. Er denkt an helle Haut statt krauses Haar. Die einen, weil sie Diskriminierung kenntlich machen wollen. Die anderen, weil sie Diskriminierung biologisch rechtfertigen wollen. Deutsch ist, wer "weiß" ist.
Wer davon abweicht, muss irgendwann zugewandert sein. Ist da etwas dran? Ist Deutschsein auch eine Frage der Abstammung, der Gene? Und wenn das so sein sollte: Wann haben sie gelebt, diese reinrassigen deutschen Ureinwohner? Gab es einen germanischen Urzustand mit großen blonden Hünen und blauäugigen Mädchen mit Zöpfen?
Zumindest einem Mythos nach gab es den. Wer nach den Ursprüngen der Ethnie "Deutsch" sucht, landet im Teutoburger Wald. Im Jahr 9 nach Christus soll Arminius aka Hermann dort die Römer vernichtend geschlagen haben. Sein Sieg wurde Jahrhunderte später zum Gründungsmythos der Deutschen. Und sein blonde hünenhafte Gestalt durch Bildhauer, Maler, Dichter und Filmemacher bis heute zum Prototyp eines ethnischen Deutschen.
Das Wissenschaftsmagazin "Science" ist dem Mythos nachgegangen: Das ernüchternde Urteil für alle, die dem Glauben an eine deutsche Gen-Gemeinschaft anhängen:
Schon in "Herman the German" steckte mehr russischer Hirte und anatolischer Bauer als arischer Herrenmensch! Und nicht nur in ihm: Wir alle sind Migranten. Schon ein Blick um wenige tausend Jahre zurück zeigt: Alle Europäer haben Wurzeln in Afrika, dem Nahen Osten oder Anatolien.
Eine Überfremdung eines "biodeutschen" Volkes, wie es AfD-Politiker Ralph Weber beschwört, kann es allein deshalb schon nicht geben, weil es eine deutsche Ethnie – nennt man sie nun "arische Rasse" oder "Biodeutsche" – nicht gibt. Nicht vor der Flüchtlingskrise. Nicht vor den "Gastarbeitern". Nicht einmal im Teutoburger Wald."
aus: https://www.spiegel.de/panorama/biod...0-000001410970