Krim-Krise: Russland nicht das Reich des Bösen
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Osnabrück. Russland ist das Reich des Bösen? In der Krise um Ukraine und Krim gibt es im Westen gegenwärtig kaum andere Stimmen. Die Empörung ist aber erstens übersteigert und nicht gerechtfertigt, zweitens Teil eines Mechanismus, der dann wirklich böse enden kann.
Ein Kommentar.
So zu tun, als sei Russland in der Krim-Frage der alleinige Aggressor, geht an der Wirklichkeit vorbei. Vielmehr hat die westliche Diplomatie im Vorfeld versagt. Es gelang ihr über Monate hinweg nicht, die Krise im Dialog mit Russland im Zaum zu halten. Hingegen fachte die westliche Haltung die Lage noch an, scheinbar froh darüber, endlich etwas gefunden zu haben, um Wladimir Putin Paroli zu bieten.
Die Euphorie führte dazu, dass es die Oppositions-Ikone Julia Timoschenko für eine gute Idee hielt, noch am Abend ihrer Freilassung die Aufnahme der Ukraine in die EU geradezu zur Formsache zu erklären – womit sie flugs Brüssel vor ihren Karren spannte und moralisch zur Hilfe verpflichtete.
Wenn nicht blind vor Begeisterung, so riskierte der Westen in jenen, aufgeregten Maidan-Tagen sehenden Auges, dass genau das geschah, wozu es dann kam: Die ukrainische Opposition schlug das mit ihr und zwischen Russland und der EU vereinbarte Vorgehen in den Wind, an dessen Ende Neuwahlen standen. Sie schuf durch den Umsturz Fakten, mit all den absehbaren finanziellen und geostrategischen Risiken. Die Folgen drohten derart offensichtlich, dass sich sogar die Frage stellt, wie viel russophobische Absicht und kalkulierte Provokation auf europäischer Seite dahintersteckt.
Moralisch sollte sich der Westen allerdings nicht überlegen fühlen. Durch den Ablauf in Kiew kann sich Russland berechtigt als getäuscht und hintergangen betrachten. Im Fall Krim wird der Kreml kein zweites Mal den Fehler machen, auf Zusagen der Opposition zu vertrauen.
Wer wollte es von ihm ernsthaft erwarten? Auch, dass sich die neue ukrainische Führung bitter beklagt, es habe auf der Krim einen „illegitimen Putsch“ gegeben, ist skurril. Zuvor vollzog sie in Kiew streng genommen nichts anderes. Nebenbei: Was unternehmen noch einmal die USA, wenn sie ihre existenziellen Interessen in anderen Ländern berührt sehen? Sie marschieren ein, starten Luftangriffe, schicken Todesdrohnen, und das in aller Welt und nicht nur unmittelbar vor ihrer Haustür.
Gibt sich der Westen jetzt mit Blick auf Russland empört, kann man also nur lachen. Stattdessen muss die Dämonisierung des Landes enden, um glaubhaft und auf Augenhöhe zu verhandeln. Dann muss es abseits moralischer, romantischer und aggressiver Vorbehalte um reale Erwartungen und realistische Lösungen gehen. Der Krim-Frage mehr Bedeutung zuzugestehen, als ihr zukommt, lenkt dabei den Blick von der restlichen Ukraine ab. Es wirft jedes Streben nach einer so wichtigen Verständigung und Hilfe für das übrige Land zurück, um von fatalen Gefahren für ganz Europa gar nicht zu reden.