"Die Menschen sind einfältig und zum Urteil nicht fähig, daher müssen sie regiert werden." - Konrad Adenauer in einem Fernsinterview, das am 30. August 2002 in einer historischen Sendung von dem deutschen Fernsehsender "Phoenix" ausgestrahlt wurde.

Die alte Diskussion um die beste Staatsform gabs auch bei der Reichsgründung.
Die liberalen Kräfte stellten sich im modernen Staat eine repräsentative Parlamentarisierung vor.
Das englische allmächtige Parlament, das nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt wurde?
Es duldete faktisch keine Kontrollinstanz über sich. Es ist ein System ohne rechtsstaatliche Gewaltenteilung.
Oder wäre die amerikanische Variante besser gewesen?
Mit einer chaotischen Rechtssprechung, die mit der kontinental-europäischen Rechtsstaatlichkeit wenig gemein hat und einem Präsidenten, dem rechtlich mehr Entscheidungsbefugnisse zugestanden wurden, als sie dem deutschen Kaiser verfassungsrechtlich jemals eingeräumt waren?
Von den Sozialisten muss man gar nicht sprechen, von ihrem "klassenlosen" Funktionärsstaat.

Wie sieht der moderne Staat aus?
Otto Hintze schrieb in seinem Aufsatz "Wesen und Wandlung des modernen Staats" (1931):
"Nur einzelne deutsche Territorialstaaten haben sich im Laufe der Zeit zu modernen Staaten entwickelt, namentlich Preußen. Aber das Endstadium des nationalen Staates konnten auch sie nicht erreichen, erst deas Deutsche Reich Bismarcks war ein moderner Staat im vollen Sinne."

Es ist dem spanischen Historiker Josep Fontana zuzustimmen, der sagte, dass jedes Land nach seiner eigenen Entwicklung zu beurteilen sei; es sei verfehlt, die allgemeine Geschichte so zu deuten, als wenn alles auf das System der anglo-amerikanischen Regierungsform hinauszulaufen habe.

Professor Dr. Friedrich Meinecke, der erste Rektor der Freien Universität Berlin schrieb im Jahre 1916:
"Das parlamentarische System soll den Volkswillen zur alleinigen Geltung im Staate bringen. Es bringt immer und immer nur die Parteien und innerhalb dieser wieder nur ganz kleine Schichten und Gruppen ans Ruder, die dann als Drahtzieher der herrschenden Partei eine wundervolle Gelegenheit erhalten, den Staat für sich auszubeuten. Volkswille ist nicht schlechthin identisch mit Mehrheitswillen. Das parlamentarische Regime entspricht nicht den Interessen der deutschen Arbeiterschaft, denn Parteienregierungen sind eine sehr schlechte Bürgschaft für gute Sozialpolitik und gerechte Steuerverteilung. Nicht die westlichen parlamentarischen Staaten, sondern Deutschland hat die Bahn gebrochen für die moderne soziale Versicherungsgesetzgebung. Der soziale Gemeingeist, der in unserem Staate lebendig ist und unserer aller Freiheit sichert, verlangt eine andere Regierungsform als die des bürgerlichen Klassenstaats."

Einem Staat wie dem des Deutschen Kaiserreichs, der mit durchschnittlich 2% die geringste Arbeitslosigkeit in Europa aufzuweisen hatte, der in Bildung, Wissenschaft und Rechtssicherheit eine Spitzenstellung im Weltvergleich einnahm, der Vorreiter der sozialen Absicherung und des betrieblichen Arbeitsschutzes für die arbeitenden Menschen war und der im 18. und 19. Jahrhundert an weniger kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen hat als die USA, England, Frankreich oder Rußland, mangelnde Modernität vorzuwerfen, zeugt nicht von Urteilfähigkeit.