"Der Ort Ras Baalbek ist die äußerste Bastion des Christentums in diesem Teil des Landes. Hier leben kaum Moslems oder Drusen. Die meisten Bewohner sind Mitglieder der melkitisch griechisch-katholischen Kirche - eine der kleineren von insgesamt acht christlichen Religionsgemeinschaften im Libanon.
Oben auf den Bergen - wo nachts die Geschosse herkommen - sieht man die ersten Häuserreihen des umkämpften Arsal. Ein Ring aus Armee-Stellungen umgibt die Sunniten-Stadt.
Im Inneren herrscht eine Koalition aus IS und dem Al-Kaida-Ableger Nusra-Front. Hinein traut sich die Armee nicht mehr. Fragt man, wer sie zurückschlägt, kommt immer die gleiche Antwort: die Hisbollah.
Auch Raif Khoury ruft die Schiiten-Miliz, wenn die Terroristen angreifen. Könnte er ohne sie überleben? "Nein", sagt Raif knapp.
"Ohne die Hisbollah, wären sie schon lange hier unten." Die libanesische Armee versucht zwar immer wieder, ins Gebiet des IS vorzustoßen. Sie gilt im Libanon als moralisch grundsolide. Allerdings, so heißt es, sei sie schwach, schlecht ausgerüstet, eher Beute als Jäger. Dutzende Soldaten sind bereits in Hinterhalten des IS umgekommen. Jetzt wartet die Armee auf vier Milliarden Dollar, die Saudi-Arabien im April überweisen will. Amerikanische und französische Kampfhubschrauber und Artillerie-Waffen sollen davon gekauft werden.
Mit der Hisbollah sieht es anders aus: Sie ist bestens bewaffnet und schreckt offenbar vor keinem Einsatz zurück. Auf der syrischen Seite der Grenze bewahrt sie Diktator Baschar al-Assad vor dem Sturz - auf Befehl ihres Geldgebers Iran und unter großen Opfern. Bis zu 1000 Mann soll die Hisbollah in Syrien bereits verloren haben. Im Libanon gilt sie als wahre Beschützerin von Schiiten, Christen, Drusen und selbst Sunniten vor den Halsabschneidern des IS.
Auch die Geschütze, die man aus der Ebene feuern hört, sollen der Hisbollah gehören - Geschenke der Regierung der Islamischen Republik Iran, heißt es - dem Großen Bruder. Der schiitische Iran scheint seine Glaubensbrüder im Libanon mit Geschützen und Raketen auszustatten, von denen Libanons Armee nur träumen kann.
Im Libanon stehen Armee und Hisbollah offensichtlich auf gutem Fuß: Per Handschlag begrüßen sich Soldaten und Milizionäre in dem Schiiten-Dorf Labweh, zwei Kilometer südlich von Ras Baalbek. Die schwarzen SUVs ohne Nummernschilder, mit denen die Hisbollah-Chefs durch die Stadt und die Bekaa-Ebene rasen, passieren alle Armee-Checkpoints ohne Kontrolle.
Nicht nur hier sind die Christen froh über die Hilfe der Schiiten-Miliz. Der Journalist und Menschenrechtler Lokman Slim, ein scharfer Kritiker der nahezu unangreifbaren Macht der Hisbollah, glaubt,
dass mittlerweile 80 bis 90 Prozent der Christen im Libanon auf Seiten der Hisbollah sind. Christen stellen im Libanon vermutlich rund 45 Prozent der Bevölkerung - genau weiß es keiner, da die letzte Volkszählung Jahrzehnte her ist.
https://www.swp.de/politik/inland/hi...-17977829.html